Was ist schlimm am Fernsehen?
Medienkonsum bei Kindern: Schadet zu viel Fernsehen?
Das Fernsehen ist schon lange zur Freizeitaktivität Nummer eins avanciert. Selbst wenn sich Eltern vom eigenen Fernseher trennen, werden ihre Kinder damit nicht notgedrungen TV-Abstinenzler. Meine Eltern zum Beispiel sorgten durch eine Beschränkung auf 4 langweilige Sender des öffentlich-rechtlichen Fernsehens dafür, dass das TV-Gucken für mich äußerst unattraktiv wurde. Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass Kinder dann eben woanders das holen, was sie zu Hause nicht kriegen. Heute funktioniert das dank Smartphones sogar noch einfacher als in meiner Kindheit.
Trotzdem muss man sich heutzutage rechtfertigen, wenn man seine Kids fernsehen lässt. Deshalb weichen einige Eltern aus und argumentieren wirklich süß: Nein, mein Kind sieht nicht fern. Es guckt nur Youtube-Videos. Dass hier kein Unterschied in der Rezeption vorliegt, bezweifelt nur, wer nicht über die Mechanismen des Selbstbetrugs verfügt.
Doch jetzt mal im Ernst:
Was bitte ist so schlimm am Fernsehen (bzw. Youtube-Gucken)?
Inwiefern werden unsere Kinder durchs Fernsehen negativ beeinflusst? -Da wäre zunächst das am häufigsten genannte Argument gegen einen zu hohen Medienkonsum bei Kindern…
Fernsehen macht krank
Hier können Pädagogen auf unumstößliche Fakten verweisen: Wer viel vor der Glotze hockt, ist körperlich inaktiv – und verbraucht entsprechend wenig Energie. Zu dumm, dass gerade Werbung den Appetit anregt und vorm Fernseher folglich mehr gegessen wird, als der Körper tatsächlich braucht. Dabei greifen Kinder kaum zu gesunden Snacks, sondern eher zu Chips und Süßigkeiten. Dies kann Übergewicht verursachen und in dessen Folge Typ-2-Diabetes mellitus.
Eine aktuelle Studie hat zusätzlich nachgewiesen, dass das Fernsehen den Blutdruck von Kindern erhöht. Und noch etwas: Da Kinder beim Fernsehen flacher atmen als beispielsweise beim Herumtoben draußen, steigt auch das Risiko, an Asthma zu erkranken.
Darüber hinaus werden die Augen beim Fernsehen stärker belastet als sonst. Da man zum Auf-den-Bildschirm-Starren neigt, blinzeln wir seltener. Die Augen werden demzufolge seltener befeuchtet. Wir bekommen trockene Augen.
Und dann wären da noch die Einschlafschwierigkeiten zu nennen, die vom Fernsehen verursacht werden, wenn noch direkt vorm Zubettgehen in die Röhre geschaut wird. Das Licht des Fernsehers bringt den Schlafrhythmus durcheinander.
Fernsehen macht dumm
Dieses Argument wird häufig aufgeführt, wenn es um (Klein-)Kinder geht. Tatsächlich besagen einige Studien, dass Kinder, die häufig und lange fernsehen im Schnitt schlechtere schulische Noten aufweisen als Gleichaltrige „Weniggucker“. Angespielt wird vor allem auf Kinder, die einen eigenen Fernseher im Zimmer haben. Dass zu viel Fernsehen vom Lernen abhält, liegt auf der Hand.
Andere Experten sehen die Informationsflut durch das Fernsehen am Nachmittag kritisch: Die zuvor in der Schule gelernten Inhalte könnten nicht oder nur eingeschränkt im kindlichen Hirn weiterverarbeitet werden. Angeblich werden sie von den Inhalten, die das Fernsehen liefert, überlagert – und vergessen.
Erwiesen ist weiterhin der Zusammenhang zwischen frühkindlichem TV-Konsum und Aufmerksamkeitsstörungen im Grundschulalter. Was offenbar daran liegt, dass die »flachere« Erfahrungswelt des Fernsehers das kindliche Gehirn weniger und diffuser strukturiert.
Was sagt der Medienfuzzi in mir dazu?
Interessant finde ich bei all den genannten Studien, dass sie das Fernsehen ausschließlich als Medium betrachten, und zwar unabhängig von den rezipierten Inhalten. Oft argumentieren Eltern ja damit, dass ihre Kinder nur pädagogisch wertvolle Filme, Serien und Sendungen konsumieren. Offenbar spielt dies jedoch überhaupt keine Rolle:
Das Fernsehen wirkt sich trotzdem negativ auf Kinder aus.
Obwohl ich mittlerweile auf dem besten Wege zum Serienjunkie bin (ich liebe es einfach, von einigen Serien wie Game of Thrones und Westworld regelrecht eingesogen zu werden), möchte ich die o.g. Fakten gar nicht anzweifeln. Zwar denke ich nach Serienende noch lange über die Handlung nach, aber es ist eben doch ein Wahnsinns-Unterschied, ob du Dinge selbst erlebst – oder nur dabei zuschaust.
Skepsis gegenüber Bewegtbildern angebracht
Wir Menschen tendieren leider dazu, Gesehenes als wahrhaftig hinzunehmen. Die Mechanismen, mit Hilfe von Bildern zu manipulieren, sind jedoch vielfältig und werden sowohl beim Fernsehen als auch im Internet oft und gerne genutzt. Damit meine ich nicht nur die bewusste Manipulation, sondern auch das Weglassen oder Zusammenschneiden von Inhalten.
Dahinter muss nicht einmal ein böser Wille oder eine kommerzielle Absicht stecken. Nehmen wir zum Beispiel die allseits beliebte Tagesschau, die sich einer wertneutralen Berichterstattung rühmt. Doch selbst bei diesem „Qualitätsmedium“ sollte uns bewusst sein, dass die Redakteure der Tagesschau zunächst aussortieren (sog. Agenda Setting):
Welche Nachrichten schaffen es in die Sendung? Welche hingegen sind nicht relevant genug? Eine solche Auswahl prägt das Weltbild! Beiträge wiederum, die höchstens zwei Minuten dauern, vermitteln wohl kaum ein umfassendes Bild von Lage und Situation. Du brauchst dich nur einmal zu fragen, was du von der Ukraine hältst: Ein Kriegsgebiet, nicht wahr? -Wohl kaum…
Medienkompetenz vermitteln, statt aufs Fernsehen zu verzichten
Wie eingangs erwähnt, halte ich es für realitätsfremd, auf die Rezeption visueller Medien – seien sie über das Fernsehen ausgestrahlt, am Laptop angesehen oder via Smartphone betrachtet – gänzlich zu verzichten. Diese Medien sind – stärker noch als Presse oder Radio – Teil unseres Alltags geworden und faszinieren gerade Kinder und Jugendliche enorm. Und seien wir ehrlich: Wir Großen schalten ja auch gern mal ab, indem wir die Glotze einschalten. Es den eigenen Kindern zu verbieten, wäre daher wenig glaubwürdig.
Vor Youtube und Fernsehen zu kapitulieren, ist allerdings auch nicht richtig. Wie viel produktiver die Leute waren, als das Fernsehen noch keine Option war, wurde mir kürzlich bewusst, als mir ein älterer Herr ganz wunderbare Holzfiguren zeigte, die er selbst geschnitzt hatte. Das war seine Feierabend-Beschäftigung, als er noch keinen Fernseher besaß.
In meinen Augen ist es ratsam, einen Ausgleich zu schaffen, denn das Fernsehen sollte nie die gesamte Freizeit vereinnahmen. Mit Freunden treffen, ein Musikinstrument spielen lernen, einen Sportkurs besuchen oder einfach mal nur im Kinderzimmer mit den Puppen spielen – sind nur wenige Alternativen, die das Leben bereithält ohne Youtube oder Fernsehen.
Eine gesunde Portion Medienkritik zu üben, ist darüber hinaus unerlässlich. Und damit meine ich nicht das pauschale „Lügenpresse“-Gedöns degenerierter Pegida-Anhänger, sondern das Vermitteln von Medienkompetenz an unsere Kinder.
LG Anne!!!