Willst du dein Kind für Sport begeistern?
Vom Stubenhocker zum Sportler im Handumdrehen
Mein Sohn ist gerne drinnen. Er liebt unser Wohnzimmer, wo – hach – so viele tolle technische Geräte stehen! Die liebt er noch viel mehr. Er könnte sich tagein, tagaus auf dem Sofa herumwälzen und wäre das glücklichste Kind der Welt. Gäbe es statt Stubenarrest einen „Draußenarrest“, wäre dies die gemeinste Strafe, die er sich vorstellen kann.
Deshalb war ich echt froh, dass er in der Schule Freundschaft mit ein paar Jungen schloss, die Handball spielten. Handball ist übrigens die einzige Sportart, die für die Kleinsten an der Grundschule angeboten wird. (YES!!! Das freute mich gleich noch mehr, denn der allgegenwärtige Fußball-Hype geht mir voll auf die Nerven.) Weil seine neuen Kumpels Handball spielten, wollte er plötzlich auch. An zwei Nachmittagen in der Woche sowie jedes zweite Wochenende lümmelt er jetzt nicht mehr auf der Couch, sondern treibt Sport.
Ich selbst liebe Team-Sportarten und habe viele Jahre lang in einer Mannschaft gespielt (allerdings kein Handball) und es in vollen Zügen genossen. Sohnemann wollte damals nie zugucken. Er fand es langweilig. Auch das Stadion zu besonderen Sport-Events konnte ihn nicht locken.
Insofern war ich natürlich begeistert, dass er von allein zum Training gehen wollte, ich ihn also nicht einmal drängen musste. :)
Freunde sind beim Sport wichtiger als Eltern
Im Kindergartenalter begann sich mein Sohn für Tennis zu interessieren. Am nahe gelegenen Tennisplatz blieb er oft stehen und schaute den Spielern zu. Ob er es auch mal probieren wolle?, fragte ich ihn. Er verneinte.
Als er jedoch erfuhr, dass sein damals bester Freund in den Tennisclub eingetreten war und nun einmal die Woche spielte, wollte er unbedingt mitmachen.
Logisch: Die Hürde, ganz allein etwas ganz Neues auszuprobieren, ist hoch. Das wissen wir ja von uns selbst. Wir fragen doch auch oft Freunde, ob sie uns ins Kino, Theater oder eben zum Sport begleiten.
Zurück zum Handball: die Kleinen lieben Wettkämpfe
Die Trainer der Handballmannschaft sind sehr daran interessiert, den Kindern die Technik des Handballs beizubringen und trotzdem nicht den Spaß am Spiel zu vernachlässigen. Außerdem sind sie sehr zuverlässig und engagiert. Sie nehmen die Kinder ernst.
Für sie scheint der Sieg nicht im Vordergrund zu stehen. Eher möchten sie, dass die Kinder Spielerfahrung sammeln. Trotzdem kann man sich natürlich fragen, ob es Sinn macht, eine so junge Mannschaft schon im Spielbetrieb anzumelden. Bist du einmal in der Mühle drin, willst du ja nicht stets und ständig verlieren. Deshalb kann man von einer gewissen Leistungsoriertierung ausgehen. Die Jungen sind vielleicht noch gar nicht in der psychischen Verfassung dafür… Wobei das nur eine Vermutung meinerseits ist. Mit dieser Thematik habe ich mich noch nicht beschäftigt.
Noch ist mein Sohn absolut begeistert von der Möglichkeit, sich mit anderen Mannschaften zu messen. Er liebt die kleinen Wettkämpfe. Allerdings ist seine Mannschaft bis jetzt siegesverwöhnt. Niederlagen hatten sie bislang nicht viele zu verkraften.
Fiebern die Eltern zu sehr mit?
Vergangenes Wochenende jedenfalls habe ich meinem Sohn beim Handballspielen zugeguckt. Die Kinder waren wie immer sehr aufgeregt und wuselten wie verrückt übers Feld. An ein richtiges Handballspiel erinnerte das ja nur ansatzweise. Wenn trotzdem mal eine gute Aktion zustande kam oder ein Tor fiel, freute ich mich natürlich und klatschte. Ansonsten feuerte ich weder meinen Sohn noch seine Mannschaftskameraden an. Es geht ja um nichts, oder?
Ein befreundeter Vater allerdings kann seine Emotionen nicht zurückhalten. Er brüllt übers ganze Feld, weist die Kinder zurecht und beschimpft sogar den Schiedsrichter. Jedes Mal. Auf Hinweise anderer Eltern und Trainer reagiert er stets reumütig, doch schon beim nächsten Anpfiff gehen die Pferde wieder mit ihm durch.
Sein Sohn bricht regelmäßig in Tränen aus, weil er glaubt, seinem Vater nichts rechtmachen zu können. Dabei spielt der Kleine wirklich gut. Er ist einer der besten im Team. Heult er erstmal, wird er zwar von seinem Vater getröstet, doch die Trost spendenden Wort sind durchtränkt von Ratschlägen, was er das nächste Mal unbedingt besser machen müsse… Der Vater ist allerdings kein Trainer, insofern hat er dazu gar kein Recht. Zudem habe ich den Eindruck, dass seine verbalen „Anfeuerungsversuche“ ins Gegenteil umschlagen: sie drücken auf die Stimmung und verstärken bei seinem Sohn die Selbstzweifel.
Nichts im Sport ist so kontraproduktiv wie Selbstzweifel.
Manchmal kann es wirklich ein Glück sein, wenn man selbst keine Ahnung von der Materie hat. Jedenfalls könnte ich meinen Sohn keine Handballtipps geben, selbst wenn ich wollte.
Letztes Wochenende waren die Eltern und Trainer der gegnerischen Teams so richtig genervt. Ich dachte schon, sie würden ihn aus der Halle werfen. „Unser“ Trainer sah sich genötigt, ihm noch einmal zu erklären, dass es nicht ums Gewinnen geht. Es brachte nichts. Für meinen Bekannten scheinen diese harmlosen „Wuselturniere“ Kriege um Leben und Tod zu sein. Zumindest sieht er die Mannschaft seines Sohns ungern verlieren. Dann haben sie sich nämlich „keine Mühe gegeben“ oder „nicht angestrengt“. Sowas erträgt er nicht. Der Gegner war nie einfach besser.
Der Brüll-Vater lebt übrigens seit eh und je in Berlin, verehrt aber trotzdem die Fußballmannschaft von Bayern München. Das nur so nebenbei.
Im Sport geht’s um so viel mehr als nur ums Gewinnen
Teamgeist, Spaß, Adrenalin, Freude an der Bewegung und am Miteinander. Nie fühlt man sich so lebendig, nie lebt man so sehr im Moment.
Eigentlich ist das Verhalten des Brüllvaters in höchstem Maße unsportlich. Aber so ist er halt: sehr emotional. Ich habe den Trainer meines Sohns darauf angesprochen, meinen Sohn natürlich auch: unisono haben sie behauptet, von dem Geschrei nichts mitzubekommen. Na, wenn das so ist…