Abgestempelt
Einen Motivstempel hält wahrscheinlich jedes Kind mal in der Hand, um Gebasteltes zu verzieren oder Gemaltes zu ergänzen. Anders verhält es sich mit Motivationsstempeln, die in der Regel nur vom Lehrpersonal benutzt wird. Motivationsstempel gab es schon zu meiner Zeit in der Schule, zum Beispiel das vielzitierte Bienchen für fleißige Mitarbeit.
Bei meinen eigenen Kindern dominiert nur ein einziger Stempel: Hausaufgaben/Schulmaterial vergessen – inklusive Leerstelle für die elterliche Unterschrift. Vor allem Sohnemann hat es ein Schuljahr lang derart auf die Spitze getrieben, dass in seinem Hausaufgabenheft kaum noch etwas anderes als ebenjene Stempelabdrücke zu sehen waren.
Seltener bekomme ich auch mal positive Stempelabdrücke zu Gesicht, einen nach oben zeigenden Daumen zum Beispiel (das Bienchen scheint nicht mehr zu existieren). Im Internet werden zahlreiche Motiv- und Motivationsstempel angeboten, insbesondere in Onlineshops, die sich ausschließlich auf Stempel fokussiert haben. Sie seien – so der Slogan einer dieser Shops – die schnellste Art, Druck zu machen. Und das ist erstaunlich zutreffend, zumindest im schulischen Kontext.
Wenn die Abschaffung der Notengebung durch Stempel konterkariert wird
Immerhin traurige Gesichter scheinen in Stempelform unüblich zu sein. Jedenfalls werden sie stets händisch in Töchterleins Hefte gemalt. Ein Smiley mit umgekehrter Bedeutung, in der Fachsprache auch Frowny genannt, weint mir folglich fast täglich entgegen, wenn ich einen Blick ins Schulmaterial riskiere. Ihre Lehrerin lässt es sich nicht nehmen, auch noch eine dicke Träne unters Auge zu zeichnen. Selbst ein paar Sätze schreibt sie noch hinzu, die jedoch ungelesen bleiben. Der Frowny ist abschreckend genug.
Schon seit geraumer Zeit werden weder in der ersten noch in der zweiten Klasse Noten vergeben. Ziel dieser notenunabhängigen Bewertung war und ist es (unter anderem), die Kinder zum Lernen zu motivieren. Offenbar hat sich noch nicht unter allen Lehrkräften herumgesprochen, dass kleine weinende Gesichter unter einem Test genauso demoralisierend wirken wie eine ausgeschriebene sechs. Denn was sagt uns so ein Gesicht? Wie wird es vom Kind interpretiert? -Im besten Falle: „Deine Leistung hat mich traurig gemacht.“ Im schlechtesten: „Du bist total unfähig.“
Statt Lernlust nur Schulfrust
Was es nicht sagt: Bleib weiterhin neugierig! Viel Spaß beim Wissenserwerb! Aber genau den braucht man, um überhaupt eine Motivation zum Lernen zu entwickeln. Wer wiederum motiviert lernt, hat Erfolgserlebnisse – und damit noch mehr Freude an den Lehrinhalten. Manchmal reichen auch schon ein paar liebe Worte aus dem Mund der Lehrkraft, um das Selbstvertrauen eines Kindes zu stärken und damit auch seinen Glauben an sich und seine Fähigkeiten.
Misserfolge hingegen fördern lediglich die Unlust am Lernen:
Anstrengung kommt, wenn man weiß, man kann ein Ziel erreichen. Aber dazu brauchen Kinder Erfolgserlebnisse. Wir Lehrer müssen ihnen diese ermöglichen. Es ist frustrierend, nie ein Ziel zu erreichen, aber genau das geschieht durch unsere Art der Leistungsbeurteilung. Ich habe in der zweiten Klasse Kinder gesehen, die einfach aufgegeben haben. In der zweiten Klasse!
Quelle: taz
Selbst die Stempelshops haben das kapiert: Frowny-Stempel gibt es nicht. Dafür werden Keks-Stempel angeboten. Richtig gelesen. Man kann einen Keksteig mit Stempeln versehen und ihn so mit Motiven wie Herzen oder Schriftzügen verzieren. Wenn es in der Schule an Smileys mangelt, so braucht das Kind nur seine Brotbüchse zu öffnen, um darin einen lächelnden Keks vorzufinden. Irgendwie muss man den Schulfrust ja mildern. Nachhaltiger allerdings wirken die folgenden Tipps:
Motivation aufrechterhalten oder: Lernen ohne zu lernen
Kinder sind per se wissensdurstig und lernbereit. Zu dumm, dass die Institutionalisierung des Lernens in der Schule dazu führt, dass ebenjene Lernbereitschaft nach und nach schwindet. Schon in der ersten Klasse beklagten meine beiden Kinder, dass das Wochenende viel zu kurz und die Schule generell blöd sei.
Das Lernen erfolgt nicht mehr aus innerem Antrieb, sondern weil es durch einen Lehrplan vorgegeben wird, den LehrerInnen um jeden Preis einhalten wollen/müssen. Bewertet wird das Gelernte dann auch noch – nach nicht immer nachvollziehbaren Maßstäben.
Kreative Lernlösungen müssen selbst gefunden werden
Das alles ist der Motivation des Kindes nicht gerade zuträglich. Wenn sich Eltern dann auch noch als Ersatzlehrer nachmittags mit ihrem Nachwuchs hinsetzen, um zu üben, kann das eigentlich nur nach hinten losgehen. Hier sind kreative Lösungen gefragt – und die fallen je nach Kind stets anders aus.
Mein Sohn zum Beispiel hat sich selbst geholfen, indem er – Pädagogen und Bildungsexperten wird das blanke Entsetzen packen – die unterschiedlichsten Computerspiele gespielt hat. Um die zu verstehen, musste er auch lesen können. Hin und wieder sogar schreiben. Und unglaublich kreativ sein, um die Ecke denken können, Rätsel lösen, Englisch verstehen und und und. Tatsächlich haben wir uns kein einziges Mal mit ihm hingesetzt, um Rechtschreibung zu üben oder Mathematikaufgaben zu lösen. Trotzdem hat er sich erfolgreich durch die Grundschule gewurschtelt.
Anders sieht es nun bei Töchterlein aus, die sich leider nicht die Bohne für digitale Spiele interessiert. Für sie stellt die Schule eine weitaus größere Herausforderung dar. Die Schulinhalte beiläufig in den Alltag zu integrieren, klappt nur bedingt: Rechenaufgaben lassen sich schnell mal zwischendurch lösen. Doch wann muss man schon mal etwas aufschreiben? Wenn ich selbst keinen Rat mehr weiß, greife ich auf professionelle Lerntipps zurück.
Dem Kind außerhalb der Schule Erfolgserlebnisse zu verschaffen, lautet ein anderer Expertentipp. Durch ein Hobby, das dem Kind liegt und das es wirklich gerne verfolgt. Das würde auch die eingangs erwähnte Bedingung fürs erfolgreiche Lernen erfüllen: dass es mit Begeisterung an die Sache herangeht!
LG Anne!!!