Die anderen Eltern
Sie können durchaus bereichernd sein – oder einfach nur unangenehm
In Gesellschaft anderer Eltern fühle ich mich neuerdings unwohl. Daher meide ich Veranstaltungen, wo man viel Zeit mit vielen anderen Eltern verbringen muss, wenn es nur eben geht.
Am Wochenende habe ich mich dazu hinreißen lassen, das Fußballturnier meines Sohns zu begleiten. Nicht nur das, ich habe sogar Kuchen gebacken, der am Buffet zum Verkauf angeboten wurde. Ja, ich hätte mich sogar selbst an den Kuchenstand gestellt, wenn dort nicht schon gefühlt 10 andere Muttis herumgesprungen wären.
Schon als ich die Turnhalle betreten habe, überkam mich ein mulmiges Gefühl. Komisch, denn es war ja überhaupt nichts vorgefallen. Außerdem wurde ich nett begrüßt. Also allet schick, wie man in Brandenburg sagt.
Wir sind doch alle gleich. Wieso dann dieses Unbehagen?
Deshalb musste ich erstmal in mich gehen und laaange grübeln: Wieso fühle ich mich in der Gegenwart der anderen Eltern so mies?
- Zunächst ist es wohl die Tatsache, dass ich Zeit mit Leuten verbringen muss, mit denen ich nur eines gemeinsam habe: unsere Kinder spielen zusammen Fußball. Der Zufall hat uns zusammengeführt, nicht die Sympathie.
- Grundsätzlich dominieren bei derartigen „Events“ die Lautesten: Man unterhält sich nicht, sondern man wirft sich vermeintlich witzige Kommentare zu – und übertrifft sich gegenseitig an Schlagfertigkeit. Besonders lustig sind übrigens Bemerkungen wie „Der kann nicht so schnell, der musste schließlich schon weit laufen.“ – in Richtung eines Jungen mit syrischen Wurzeln. Selbst, wenn nur wenige solche Kommentare fallen lassen, so gibt es doch NIEMANDEN, der kontert. Feixen oder schweigen. Das ist nicht rechts. Das ist normal.
- An die obligatorischen „Anfeuerungsrufe“ vom Spielfeldrand habe ich mich mittlerweile gewöhnt, obwohl mir das Gebrüll immer noch peinlich ist. Zumal die Eltern der anderen Teams nie derart ausflippen.
Alles in allem rührt mein Unbehagen wohl von unserer unterschiedlichen Geisteshaltung. Dabei kann ich nicht einmal behaupten, dass ich die Geisteshaltung aller Eltern hier kenne. Ich beziehe mich also nur auf die Handvoll, die sich äußert. Doch die anderen scheinen’s ja zu akzeptieren…
Vielleicht ist es einfach typisch Landleben?
Ach ja, und dann dieses Freundschaftsgebaren, furchtbar. Ganz offensichtlich dominiert der Neid, doch selbstverständlich machen sie einen auf beste Freunde. Ach, was ist es herrlich, zusammen in der Sporthalle abzuhängen, Bier zu trinken und gemeinsam über dämliche Bemerkungen zu lachen, nicht wahr? We are one people.
Nee, sind wir nicht. Wir sind keine Freunde. Wir sehen uns nur mal eben zu Fußballturnieren. Der Freundschafts-Fake verhindert, dass wir einander überhaupt erst kennen lernen können. Alles beginnt doch mit einem zarten Small-Talk. Nicht mit der Frage: Wie viel verdienst du eigentlich?
Warum nicht einfach höflich und distanziert miteinander umgehen? -Zu städtisch?
Doch der Grund liegt nicht an der vermeintlichen Unterschiedlichkeit zwischen Stadt- und Landbewohnern. Nein, es ist ein rein menschliches Problem. Ich zitiere aus dem Blog-Post „Von der Schwierigkeit, Menschen zu mögen“, der mir sehr aus dem Herzen spricht. Verfasst wurde er von der Bloggerin MrsCgn:
Diese Gedanken basieren auf (m)einem Grundproblem: Die Kommunikation mit vielen Menschen – real oder virtuell – ist zu einer anstrengenden Sache geworden. Zum einen wird gefühlt schneller denn je geurteilt und „verschubladet“ (vor allem, wenn es um politische, ideologische oder Grundsatzfragen geht), zum anderen scheint immer weniger zu zählen, was genau jemand sagt, als vielmehr: wer es sagt. Dazu kommt Rigorosität: Wer nicht für mich ist, ist automatisch gegen mich.
Tatsächlich empfinde ich es genau so. Das Gespräch mit einer anderen Person steht gar nicht mehr im Vordergrund. Es zählt nur noch, wer mit wem zusammensteht. Und wer die meisten Jünger um sich schart, hat gewonnen. Allein auf der Bank zu sitzen und das Fußballspiel zu verfolgen, ist demnach die absolute Niederlage.
Zum Glück geht es auch anders
Natürlich habe ich auch Freunde unter anderen Eltern, insbesondere Müttern. Die sind allerdings schon in Berlin entstanden, nicht auf dem Lande. Ich hege und pflege sie besonders sorgsam, jetzt da ich weiß, dass es einem Sechser im Lotto gleicht, Leute zu finden, mit denen ich auf einer Wellenlänge schwimme.
Wenn ich Sohnemann zum Training bringe, treffe ich höchstens mal zwei Mütter oder Väter. Dann geht es komischerweise: Das nette Gespräch ohne Kalauer und ohne das Buhlen um Aufmerksamkeit. Einfach mal plaudern, ohne sich was beweisen zu müssen.
Möglicherweise verurteile ich sie zu Unrecht. Vielleicht fühlen sie sich ja alle unwohl in ihrer Haut und dieses „Gruppen-Ding“ ist ihre Art, mit dieser Unsicherheit umzugehen. Für alles gibt es eine Erklärung. Und alles lässt sich auch irgendwie positiv betrachten: Immerhin erhalte ich so Einblick in eine Welt, die ich sonst nicht kennen gelernt hätte.
Ich verbringe trotzdem ungern Zeit mit anderen Eltern. Deshalb werde ich das gemeinsame Weihnachtsessen am Wochenende schnell wieder absagen! Das tue ich mir keinesfalls an.
Andere Eltern: Freud oder Leid? Wie lautet eure Meinung dazu?
Ich freue mich auf eure Kommentare!
LG Anne!!!