Traumhaus gefunden, gekauft & umgezogen: Und nun?

Bestandsaufnahme: Ist das Leben mit Haus so viel besser als ohne?

Vor zweieinhalb Jahren haben wir den Schritt gewagt, ein Haus zu kaufen und ins Berliner Umland zu ziehen. Damals haben wir uns geradewegs in dieses Haus verliebt – und waren deshalb sogar bereit, unser Budget zu überziehen. Was verbindet man nicht alles mit dem Erwerb oder Bau eines Hauses! Alles soll besser werden, schöner, größer! Ich denke, es ist an der Zeit für eine Ist-Analyse und ein Fazit.

Warum kauft man sich eigentlich ein Haus?

Egal wie unterschiedlich wir alle ticken, bei den Gründen für den Hauskauf sind wir uns doch alle einig:

  • als Geldanlage/private Altersvorsorge (und weil es momentan günstiger ist, einen Ratenkredit zu bedienen als zu mieten)
  • um mehr Wohnraum zu haben
  • weil wir von einem eigenen Garten träumen, in dem die Kinder nach Herzenslust herumtoben können
  • um näher an der Natur zu sein

Größer, schöner – besser???

Im Grunde aber meistern die wenigsten von uns das, was der Soziologe Richard Sennett kürzlich „die Herausforderung, auf engstem Raum mit Menschen zusammenzuleben, die wir nicht mögen“ nannte. Der urbane Lifestyle macht genau das erforderlich.

A) Auf dem Lande dagegen geht dir niemand auf die Nerven.

Im weniger dicht besiedelten Umland hört und sieht man seine Nachbarn schließlich nicht. Schön wär’s. Selbstverständlich sind (einige) Nachbarn hier genauso grenzdebil wie in der Stadt und – ja – das kriegst du auch mit, wenn du Luftlinie 40 Meter von ihnen entfernt wohnst. Nachbar X holt abends um acht gern seine Motorsäge aus dem Schuppen, um seine Bäume in Stücke zu sägen, Nachbarin Y hat einen Hund, der sich die ganze Nacht lang heiser bellt und Nachbar Z feiert jeden Freitag mit seinen Freunden im Garten. Leider hörst du sein Gegröle auch bei geschlossenem Fenster.

Wenn du wirklich Ruhe haben willst, musst du schon fernab der Zivilisation leben, also dort, wo es kein Bauland gibt.

B) Das Haus als Sparschwein

Ein weiterer Mythos, mit dem Baufinanzierer gerne werben. Das Gegenteil ist der Fall: Hast du erstmal ein Haus, macht dich das im Handumdrehen zum Sklaven. Ständig braucht es kostspielige Erweiterungen. Den Spielplatz im Garten zum Beispiel oder die Garage, die noch nicht im Immobilienpreis inbegriffen war, die Zuwegung, die Beleuchtung, der Briefkasten (als Mieter konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie teuer so eine primitive Apparatur wie ein Briefkasten ist – unter 100 Euro ist da Wunschdenken), die Umzäunung, der verdammte Garten…

Als Käufer rechtfertigt man diese horrenden (und bis auf den Briefkasten eigentlich völlig überflüssigen) Ausgaben stets zähneknirschend damit, dass sie ja auch zur Wertsteigerung des Hauses beitragen. Wenn man nämlich gebrechlich genug ist, um sein Zimmerchen im Altersheim zu beziehen, kann man die Immobilie schließlich gewinnbringend dazu einsetzen, ebenjenes zu bezahlen.

Doch Pustekuchen: Wer will dein olles Haus in vierzig, fünfzig Jahren schon noch haben?

Dann sind längst andere Baustile modern. Wenn es denn Kaufinteressenten gibt, werden sie höchstens die Hälfte deiner Investitionen bereit sein zu bezahlen – und dazu noch monieren, wie abgrundtief hässlich diese Badezimmerfliesen aussehen. Meine Güte, was die früher schön fanden… Ja, ja, der liebe Zeitgeist hat gesprochen.

C) Der Natur so nah!

Endlich musst du nicht mehr eine ganze Stunde fahren, um in den Genuss eines Waldspaziergangs zu kommen. Schließlich wohnst du jetzt mittendrin im Naturschutzgebiet. Und diese saubere Luft, einfach fantastisch!

Im Sommer mag das stimmen, doch warte erst einmal, bis die Temperaturen unter 20 Grad Celsius fallen. Dann nämlich werfen alle ihren Kamin an. Ach, wie herrlich doch das Feuer darin knistert und Gemütlichkeit verströmt. Draußen allerdings verteilt sich mehr Feinstaub als durch alle Dieselmotoren zusammen (siehe dazu Artikel: „Nachteile des Kaminofens„). Bei offenem Fenster zu schlafen, ist in der kalten Jahreszeit der Lunge zu liebe nicht mehr drin.

Und was die Waldspaziergänge angeht, die hören auch auf, sobald du auf dem Land wohnst. Die einzigen Leute, die man laufen sieht, sind Hundebesitzer beim Gassigehen. Ansonsten fährt der Umlandmensch in seinem SUV durch die Pampa, egal wie kurz die Strecke.

D) Die Kinder spielen im Garten

Oh ja, das tun sie – endlich ein Traum, der sich erfüllt! Und sie erleben dort tatsächlich recht viel, auch wenn dein Garten noch nicht ganz durchgestaltet ist. Baustellen sind ohnehin interessanter, hier reizt das Unfertige. Wo kein Sandkasten ist, buddeln die Kleinen eben in der Erde – und finden Regenwürmer, Engerlinge, Asseln und was sonst noch kreucht und fleucht. Im Sommer planschen sie im Pool und rennen nackt durch die Gegend. Keinen stört’s.

Praktisch ist’s, wenn du Nachbarn hast, die Kinder im gleichen Alter haben. Doch was, wenn nicht? -Dann spielt dein Kind alleine, und zwar täglich.

Denn Anschluss zu finden ist genau aus diesem Grunde wahnsinnig schwer: Alle verschwinden nach Arbeit, Kita und Schule im eigenen Garten, wo jeder für sich allein den Tag ausklingen lässt. Öffentliche Plätze sind im Suburb stets leergefegt. Glaub mir, schon nach wenigen Wochen wirst du deine alten Freunde in der Stadt arg vermissen. Die wollten dich zwar regelmäßig besuchen, doch irgendwie kommt immer etwas dazwischen…


Wir sehen nur das Haus, nie das große Ganze

Zugegeben, ich gehöre zu den ewigen Nörglern und ich liebe es zu provozieren. Dass es auch Vorteile hat, ein Haus zu besitzen, habe ich bislang geflissentlich verschwiegen. Natürlich lieben wir unser Haus noch immer. Wir haben noch nie in einer Wohnung gelebt, die auch nur ansatzweise an den modernen Standard und Wohnkomfort unseres Hauses herangereicht hätte. Aber: So ein Haus steht eben selten isoliert im Nirgendwo. Mit dem Erwerb einer Immobilie wirst du immer auch Teil eines neues Mikrokosmos. Ob dieser Vorort, Dorf, Siedlung oder Neubauviertel heißt, spielt zunächst eine untergeordnete Rolle. Fakt ist, dein Umfeld verändert sich und du dich mit ihm. Willst du das? Wo und wie wir wohnen wollen, darüber lohnt es sich erst einmal nachzudenken!

Manche haben Glück und finden sofort neue Freunde, verstehen sich auf Anhieb mit den neuen Nachbarn, reihen sich nahtlos ein in ihre neue Community. Doch das ist nicht selbstverständlich.

Auch ich habe innerhalb der ersten zwei Jahre Kontakt gefunden, nette Leute getroffen, mit denen man auch mal zusammen grillt. Aber ich würde nicht behaupten, dass wir echte Freunde geworden sind. Meine Freunde habe ich in Berlin zurückgelassen und das bedaure ich sehr.

Man müsste probewohnen können – bestenfalls ein Jahr

Wenn ich mich noch einmal entscheiden könnte, würde ich nichts überstürzen und stattdessen viel intensiver über den zukünftigen Wohnort recherchieren. Bei steigenden Mieten, steigenden Grundstückspreisen und steigenden Kosten für Handwerker ist das natürlich riskant. Aber es geht schließlich um den Ort, an dem du die nächsten Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte verbringst. Im Gegensatz zur Mietwohnung, die du innerhalb weniger Monate wieder verlassen kannst, kommst du aus einem Immobilienkredit nicht so schnell verlustfrei raus.

Außerdem würde ich meine Erwartungen dämpfen. Man beginnt mit einem Umzug an einen anderen Ort immer ein neues Leben, aber es muss nicht unbedingt ein besseres sein.

LG Anne!!!